Freitag, 4. Juli 2008

Nein zur libertären Staatsverneinung

In einem Beitrag zur sog. "Liberalismusdebatte" definiert das Blog Liberty and Reason die libertäre Position als eine, die den Staat "als eigenständiges und notwendiges Konstrukt für Frieden anerkennt."
Eine derartiges Bekenntnis zum Staat findet sich allerdings bei der Libertarian Party der USA nicht und dies ist durchaus kein neues Phänomen. Schon bald nach ihrer Gründung im Jahr 1971 sollte die Partei einen grundsätzlichen Kurswechsel vornehmen, an dem sich bis zum heutigen Tag nichts geändert hat. Die Libertarian Party ist zwar keine explizit anarchistische Partei und die Mehrheit ihrer Mitglieder besteht auch nicht aus erklärten Anarchisten, gleichwohl ist die LP eine Anti-Staat-Partei, die ihre Motivation aus ihrer Ablehnung staatlicher Aktivitäten bezieht, wo aus einem weniger an Staat ein mehr an Freiheit resultieren soll. Anarchisten und Minarchisten können im Rahmen des Programmes der LP (National Platform of the Libertarian Party) kooperieren, weil die Mehrheit der Minarchisten den Staat nur als "notwendiges Übel" ansieht und und in ihren philosophischen Prämissen ("Subjektivismus") den Anarchisten so nahe ist, dass sie keinen prinzipiellen Unterschied zwischen der eigenen Position und der der Anarchisten auszumachen vermag. Die libertären Minarchisten würden zwar nie den Knopf "Anarchie jetzt" drücken, aber die anarchistische Vision ist ihnen sympathisch und sie halten ihre Umsetzung für möglich, wenn auch nicht für sehr wahrscheinlich. Diese beiden Gruppierungen sind durchaus in der Lage, ein gemeinsames Programm zu formulieren, wo sie zum Beispiel unumwunden die Abschaffung von CIA und FBI fordern, unter der Prämisse der Sicherung der "Freiheit" selbstverständlich. Ursprünglich hatte die Partei allerdings durchaus anerkannt, dass es staatliche Funktionen gibt, die notwendig zur Verteidigung der Freiheit sind. Die Plattform von 1972 forderte im außenpolitischen Teil sogar eine "ausreichende nukleare Kapazität, die jeden potenziellen Aggressor davon überzeugt, dass er nicht darauf hoffen kann, einen Erstschlag gegen die USA zu überleben." In ihrem neuen Programm von 1974 räumte die LP allerdings mit diesen und anderen Programmpunkten auf, die auf die Notwendigkeit der Verteidigung der Individualrechte durch den Staat schließen lassen. Es wird nur noch negativ aufgezählt, was der Staat nicht tun darf (Andre F. Lichtschlag erwähnt dies auch in seinem Buch Libertarianism, S. 58/59). Die Zeitschrift The Libertarian Forum (Herausgeber: Murray N. Rothbard) vom Oktober 1974 spricht dann auch von einer "enormen Verbesserung" gegenüber dem alten Programm von 1972. Dieses alte Programm sei "neo-randianisch" gewesen (Ayn Rand selbst muss bewusst gewesen sein, dass das ursprüngliche Programm der LP ihren Ansichten ähnelte. Als sie 1972 in der Ford Forum Hall gefragt wird, was sie von der Libertarian Party hält, antwortet sie zwar negativ, äußert aber keine Zurückweisung des Programms. Erst 1976 anwortet sie an gleicher Stelle: "Sie sind keine Verteidiger des Kapitalismus.") und sei übersät mit Phrasen wie "the proper function of government is ..." Dies seien "provokative Phrasen" gewesen, wie ein rotes Tuch ("red flag to the bull"), da die einzig angemessene Funktion des Staates daraus bestehe, zu verschwinden. Das Programm von 1974 bekennt sich zum Beispiel zum Grundsatz der "Restitution" (nicht mehr der Bestrafung des Kriminellen) als dem "Hauptzweck" des Strafrechts. Im außenpolitischen Teil lobt das Libertarian Forum neben der schon erwähnten Streichung der Formel von der "ausreichenden nuklearen Kapazität" den Übergang zur einer "genuin isolationistischen Politik", die aus dem Grundsatz der "Nicht-Intervention" und der "de facto Anerkennung" aller Regierungen bestehe, wo die alte Plattform noch gefordert hatte, dass nur "legitime" Regierungen anerkannt werden sollen. Die Phrase von der "Nicht-Intervention" wendet das Programm des Anarchismus auf den Bereich der Außenpolitik an. Es ist die Position, die behauptet, dass der Staat niemals handeln dürfte, und wenn er es tue, sei dies tyrannisch. In einem offenen Amoralismus wird der Übergang von einer Position, die zwischen legitimen und nicht-legitimen Regierungen unterscheidet und derjenigen Position, die alle Regierungen, gleichgültig wie tyrannisch, anerkennen will, als großer Fortschritt gefeiert. Der Begriff "Nicht-Intervention" versucht Kapital zu schlagen aus der legitimen Ablehnung von Übergriffen der Regierung gegen legitim erworbenes Eigentum oder den Versuch, solches Eigentum zu erwerben, indem es als Intervention eben solche staatliche Aktivitäten bezeichnet, die durch Gewalt verhindern sollen, dass eben solches Eigentum zerstört und entzogen werden kann. Diese beiden völlig unterschiedlichen Akte der "Intervention" werden von den Libertären in einem Akt des "Package-Deal" zusammengeworfen, um die Unterschiede zwischen beiden zu verwischen. Wer immer sich heute als "Libertärer" versteht und die objektivistische Position teilt, dass der Staat moralisch ist, wenn er die legitimen Funktionen der Verteidigung, der Justiz und der Polizei auf der Basis eines objektiven Rechts mit großem Nachdruck und der Unparteilichkeit eines Roboters wahrnehmen muss, sollte überdenken, ob er sich durch diese Selbstbeschreibung nicht einem Lager zuordnet, dass die Freiheit nicht verteidigen kann und auch keine Vorstellung davon hat, was Freiheit überhaupt ist.

Donnerstag, 3. Juli 2008

Ein Diskussionsforum, das nicht diskutiert

Andre F. Lichtschlag, der Herausgeber der libertären Zeitschrift eigentümlich frei hat in einem Beitrag für das Freiheitsforum (zur Zeit inaktiv) einen 1965 für die Zeitschrift konkret geschriebenen Aufsatz der späteren Terroristin Ulrike Meinhof, der sich mit der Bombardierung von Dresden im Februar 1945 befaßt, als "das Beste" bezeichnet, was er je zu dem Thema gelesen habe. Frau Meinhof bezieht sich in dem Text positiv auf den Geschichtsrevisionisten David Irving und setzt die Bombardierung Dresdens mit den Morden in den Konzentrationslagern gleich: "Als die deutsche Bevölkerung die Wahrheit über Ausschwitz erfuhr, erfuhr die englische Bevölkerung die Wahrheit über Dresden. Den Tätern wurde der Ruhm versagt, der ihnen von den Regierenden versprochen worden war. Hier und dort." Interessant: Der Text löste überhaupt keine Diskussion aus. Immerhin verdreht der Text Fakten, zeigt moralischen Relativismus, und unterstützt Appeasement und Pazifismus. Keine Gründe für eine Diskussion?